In jedem Seminar kommt die folgende Frage:
“Wenn ich einem Kollegen/Geschäftspartner in Japan per Mail eine Frage stelle, bekomme ich statt einer Antwort immer 5 Gegenfragen. Was soll das?”
Warum dieses für uns verwirrende Verhalten aus japanischer Sicht sinnvoll ist, können wir anhand einer Anekdote illustrieren.
Die Frau eines japanischen Expatriates in Deutschland war im 6. Monat schwanger und berichtete, dass ihre deutsche Ärztin sie nach einer Ultraschalluntersuchung zu einem Jungen beglückwünscht habe.
Sie war darüber recht erstaunt, da man sich in Japan auf Aussagen einer Respektsperson, wie hier die eines Arztes zum Geschlecht eines ungeborenen Kindes, blind verlasse. Es wäre also ein unglaublicher Vertrauensbruch, wenn daraufhin alles für die Geburt eines Jungen gekauft und das Zimmer bereits blau gestrichen worden sei, aber durch eine Fehldeutung des Ultraschallbildes doch ein Mädchen geboren würde oder umgekehrt.
Ein japanischer Arzt würde sich daher eher im Wortlaut eines “Heute sieht es wie ein Junge aus, aber was der morgige Tag bringt, kann niemand sagen…” äußern, um ja kein Risiko einzugehen.
In Japan gilt diese Vorgehensweise für jegliche weitergegebene Information und ist daher auch im Geschäftsleben relevant. Das heißt, dass die Details einer Anfrage in der Regel meist noch einmal durch genaue Rückfragen sichergestellt werden, bevor man sich mit einer Antwort festlegt. Man sollte also ein solches Verhalten nicht gleich als Hinhaltetaktik oder Misstrauen des japanischen Gegenübers deuten.
Da in Japan stets 100% belastbare Informationen und genaueste Details gefordert werden, empfehlen wir stets darauf zu achten, jedes Mal möglichst präzise, umfassend und einheitlich zu informieren.
Präzise und umfassend:
Da es keinen Unterschied zwischen “nice to know” und “need to know” Informationen gibt, ist aus japanischer Sicht auch ein scheinbar noch so nebensächliches Detail wichtig. Man sollte also von Anfang an alles schicken und auch bei Nachfragen nicht zögern, alle gewünschten Informationen sofort nachzuliefern.
Einheitlich:
Wenn z.B eine vorher zugesendete “vorläufige” Preisliste von der endgültigen Version abweicht, kann dadurch auf japanischer Seite wieder alles zum Stillstand kommen. Diese fehlende Konsistenz wird in der Regel als Warnhinweis gedeutet, dass wohl etwas Grundlegendes nicht stimmt.
Indem man aktiv diesem Informationsbedürfnis nachkommt, kann man viel Zeit sparen! Antworten erfolgen schneller und Missverständnisse können vermieden werden.