Von vielen lokalen Mitarbeitern japanischer Firmen wird in Schulungen häufig folgendes Thema angesprochen:
„Meine japanischen Geschäftspartner/Kollegen schicken mir zu viele Emails. Oft gehen mich die Themen gar nichts an und manchmal sind diese Mails sogar auf Japanisch…wer soll das alles lesen? Das ist doch Zeitverschwendung!“
Interessanterweise beklagen wiederum viele japanische Geschäftsleute, dass man von Europäern Berichte/Updates entweder gar nicht oder zu spät bzw. nur unvollständig erhält. Um diesem Thema auf den Grund zu gehen, ist es wichtig ein paar grundlegende Unterschiede im Reporting im Vergleich zur japanischen Herangehensweise zu betrachten:
a. „nice to know“ Information = „need to know“ Information!
In Europa und den USA wird eine gewisse Filterung weitergegebener Informationen nach Wichtigkeit und Priorität erwartet, um zeitliche Effizienz zu gewährleisten und Redundanz zu vermeiden.
„Need to know“ sind also Informationen, die z.B. der Chef/in unbedingt erfahren soll. Dagegen werden unwesentliche Zusatzinformationen als „nice to know“ eingestuft, die man weglassen kann.
Für Japaner gibt es diese Einteilung in essentielle und nebensächliche Informationen nicht, da es sich um eine Kultur handelt, die auch kleinsten Details sehr großen Wert beimisst.
Diese Detailorientierung bedingt, dass man aus Sorge etwas Wichtiges zu übersehen, nichts weglassen darf, besonders wenn man an die Zentrale berichtet.
Auch wenn alles nach Plan läuft, könnte eine Kleinigkeit in der Rückschau doch noch wichtig werden, daher muss es also in den Report geschrieben werden. Es geht hier vor allem um Risikominimierung durch umfassende Planung und 100% Kontrolle über Prozesse.
Harvard ist weit weg…
Managementregeln aus den USA wie etwa „Don´t overthink it!“ oder „20/80-Regel“ basieren auf dem Prinzip, dass eine Entscheidung ab einer gewissen Informationsbasis auch durch zusätzliche Daten/Details nicht mehr an Qualität zunimmt.
Diese Denkweise steht im direkten Gegensatz zur japanischen Denkweise und fällt daher in den Unternehmen dort nicht auf fruchtbaren Boden. Gerade im letzten potentiell verfügbaren Prozent Information kann das Detail stecken, das alles in Frage stellt.
Kurz gesagt, in Japan ist jede Information „need to know“.
b. „Holschuld“ oder „Bringschuld“?
In europäischen Firmen wird vom Zuständigen in aller Regel dann ein Update gegeben oder ein Bericht erstellt, wenn der Vorgesetzte/Kunde dies anfordert oder im Voraus ein Zeitplan dafür vereinbart wurde. Das heißt, dass der Vorgesetzte oft aktiv nach dem Fortschritt einer Arbeit oder eines Projekts fragen muss, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Die Grundannahme ist, dass die Mitarbeiter als Spezialisten volle „Ownership of work“ besitzen.
Vereinfacht gesagt besteht meist eine „Holschuld“ auf Seiten desjenigen, der ein Update wünscht.
In Japan hingegen wird erwartet, dass alles was ein Projekt oder eine Aufgabe betrifft, sofort automatisch weitergegeben wird. Empfänger sind einerseits Vorgesetzte, aber im Gegensatz zu hier auch alle weiteren Kollegen/Abteilungen, die im weitesten Sinne mit dem Thema zu tun haben. Somit hat der Sender nicht nur eine „Bringschuld“ hinsichtlich der Weitergabe unvorhergesehener Veränderungen/Neuigkeiten. Er muss darüber hinaus jeweils auch berichten, dass etwas ganz nach Plan abläuft.
Es handelt sich natürlich nicht immer um einen mehrseitigen Bericht, sondern ist oft nur ein einminütiges mündliches Update während der Fahrt im Aufzug mit dem Chef ausreichend!
Japanisches Reporting kann also offiziell und inoffizell geschehen.
Wenn Sie also CC Mails auf Japanisch erhalten, handelt es sich nicht um ein Versehen, sondern dies alles ist Teil des japanischen „Horenso“ Systems. Der Begriff „Horenso“ spiegelt die Vorliebe der Japaner für Wortspiele wider, denn er bedeutet wörtlich übersetzt eigentlich „Spinat“, setzt sich aber in Wirklichkeit aus Ho(koku = berichten), Ren(raku = kontaktieren) und So(dan = konsultieren) zusammen. Alle Neulinge in japanischen Firmen werden in den ersten Jahren ihres Berufslebens ständig dazu angehalten, ihren „Spinat“ nicht zu vergessen, sprich die oben erwähnte Vorgehensweise einzuhalten.
Dazu gehört in der Regel auch, bei Komplikationen oder Unklarheiten nichts alleine zu entscheiden, sondern jeweils den besten Weg mit dem eigenen Team/Vorgesetzten abzustimmen (gemäß „Sodan“ = konsultieren).
Hier ein paar Tipps zur reibungslosen Zusammenarbeit mit japanischen Geschäftspartnern und Kollegen:
- Machen Sie es sich zur Gewohnheit, von sich aus regelmäßig Updates zu geben; je häufiger desto besser!
- Wenn Sie einen förmlichen Bericht für Ihre japanischen Partner oder Kollegen erstellen, lassen Sie sich das vorgegebene Format (oft Excel Sheet…) von erfahrenen Japanern erläutern und halten Sie dieses genau ein. Das erhöht die Glaubwürdigkeit Ihrer Informationen und die Überzeugungskraft Ihrer Vorschläge um ein Vielfaches! Dies gilt insbesondere, wenn Ihr Bericht auch nach Japan geht.
- Fragen Sie Ihre japanischen Kontaktpersonen, wer noch in CC zu setzen ist. Das ist japanischer Standard und Sie erfahren so nebenbei, wer noch am Entscheidungsprozess für bestimmte Themen beteiligt ist!