Dieses Mal möchten wir uns einer Frage widmen, die immer wieder einmal in Schulungen aufkommt.
„In Japan scheint es Widerspruch zwischen der nüchternen Ernsthaftigkeit während der Arbeit und einem teilweise für uns kindischen Verhalten in anderen Bereichen zu geben.
Auch höherrangige Manager scheuen sich nicht z.B. offen eigenartige Manga zu lesen oder bei der Weihnachtsfeier betrunken sprichwörtlich auf dem Tisch zu tanzen. Das wirkt für uns manchmal unprofessionell.“
Japans Geschäftskultur ist auf der einen Seite sehr streng und einheitlich. Eines der Sprichwörter, das man als erstes lernt, wenn man sich mit Japan beschäftigt, lautet „der herausstehende Nagel wird eingeschlagen“.
Es besagt, dass sich ein zu starker Individualismus und die japanische Tendenz zur Gruppenorientierung nicht gut vereinbaren lassen und sich bei Konflikten üblicherweise die Gruppe durchsetzt.
Trotz der zunehmenden Individualisierung unter jüngeren Japanern (siehe auch unser Artikel hier), ist ein gegen-den-Strom-Schwimmen immer noch schwer durchzuhalten. Das beginnt damit, dass man sich beim Vorstellungsgespräch als Universitätsabgänger/in in den großen Firmen mit einer unauffälligen Frisur (Haare hinten kurz bei Männern und keinerlei Tönung bei Frauen) und dem Standardanzug/Kostüm im Farbton Schwarz, Dunkelblau oder Grau präsentieren muss.
Es geht hier darum, schon am Anfang zu beweisen, dass man sich nahtlos einzufügen versteht und die Organisation nicht durch die eigenen Vorlieben bezüglich Kleidung, Farbwahl oder Körperschmuck belästigen wird.
Auch wenn man dann im Laufe der Karriere etwas mehr in Richtung eigener Stil gehen kann (besonders in kreativen Branchen wie Verlagswesen oder Werbung), so ist doch in den meisten Firmen ein Dresscode vorhanden. In vielen Unternehmen aus dem Produktionsgewerbe tragen nicht nur die Arbeiter in der Fabrik, sondern auch Mitarbeiter aus der Administration oft Hemden und/oder Jacken mit Firmenlogo.
Aber Japan hat auch eine sehr viel freiere Seite, die sich in der Freizeit oder am Abend zeigt, wenn man mit dem eigenen Team oder Kunden weggeht. Das regelmäßig gemeinsame Ausgehen, zusammen mit dem entsprechenden Alkoholkonsum, fand in früheren Jahrzehnten noch viel häufiger als heute statt, ist aber auch heute noch Teil des Arbeitslebens. Man kann dieses Socialising als ein Ventil sehen, durch das der Stress gemindert und die starre Hierarchie aufgebrochen werden sollen und sich sogar der sonst strenge Chef beim Karaoke zum Affen macht…
Auch ein über die Stränge Schlagen, das bei uns klar zu weit ginge, wird in Japan bei solchen Anlässen nachgesehen und am nächsten Tag ganz analog zu „what happens in Vegas, stays in Vegas“ nicht mehr thematisiert.
Je höher man in der Hierarchie steht, desto mehr Freiheit kann man sich nehmen.
Es gibt viele Fälle, wo sich Firmenlenker durch ungewöhnliche Hobbies oder manchmal auch Spleens aus unserer Sicht ganz unjapanisch verhalten.
Hier 2 Beispiele:
- Yusaku Maezawa, der als der Gründer des inzwischen größtem Internet-Mode-Versands in Japan, nicht nur als Sammler moderner Kunst bekannt ist, sondern auch als erster Weltraumtourist 2023 mit einer SpaceX Rakete des Tesla Gründers Elon Musk um den Mond fliegen wird. Er reservierte nicht nur Plätze für sich, sondern plant eine Gruppe von 6-8 Künstler/innen mitzunehmen, die dadurch zu neuer Kunst inspiriert werden sollen.
Er begründete das mit hypothetischen Frage „If Pablo Picasso had been able to see the moon up-close, what kind of paintings would he have drawn?“
Das Projekt heißt #dearmoon - Akio Toyoda, der als Spross einer Firmendynastie den Weltkonzern Toyota leitet.
Parallel zu seiner Tätigkeit im Unternehmen hat er ein Alter Ego namens Morizo, Kinoshita. Mit diesem ist es ihm möglich als Fahrer im eigenen Gazoo Racing Team auch echte Rennen mitzufahren. Wie in Japan üblich gibt es eine Umsetzung als Comicmännchen (inklusive seines Hündchens im Rennanzug).
Das Interessante daran ist, dass der Toyota Chef sich so sehr mit seiner Rolle identifiziert, dass man ihn während eines Auftritts als Morizo auch nur mit diesem Namen ansprechen darf und er auch viel informeller auftritt als sonst in der Rolle des Chefs eines Weltkonzerns.
Obwohl beide dieser Chefs nicht typisch sind (der eine hat die Firma selbst gegründet, der andere ist Enkel des Gründers), sollte man sich also nicht täuschen lassen. Auch in Japan gibt es nicht nur strenge Firmenkultur, sondern auch viel Kreativität und verrückte Ideen!
[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]