Japans Arbeitswelt ist seit Jahren extremen Wandlungsprozessen unterworfen, die die Beziehung zwischen Firma und Angestellten sehr stark verändern. Manche werden noch die, als „lost decade“ bekannte Periode im Japan der 90er in Erinnerung haben und in der Firmen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und daraus folgenden Deflation verzweifelt um Kostensenkung bemüht waren. In dieser, durch eine „Job Eiszeit“ geprägte Periode wollten die Firmen die Zahl der regulären Mitarbeiter, die in Japan normalerweise bis zur Rente im Unternehmen blieben, nicht weiter steigern und so konnten sehr viele Universitätsabgänger keine feste Anstellung in Firmen finden, wodurch der Anteil der fest Angestellten stetig abnahm.
Wie in anderen Ländern wurden Kettenverträge und Leiharbeit stark genutzt, nachdem japanische Firmen diese Flexibilität ebenfalls schätzen lernten; eine Tendenz, die sich aber in der Folge in einer hohen Zahl von prekär Angestellten niederschlug, was wiederum auch einen gewissen Anteil an der niedrigen Geburtenrate Japans hat.
Diese geringe Geburtenrate führt auf vielen Bereichen zu erheblichen Problemen. Dabei geht es nicht nur um die Betreuung und Pflege der alten Bürger/innen, unter denen derzeit ca. 10 Millionen Japaner/innen über 80 Jahre, 2 Millionen über 90 Jahre und ca. 70.000 über 100 Jahre alt sind.
Als Folge dieser Entwicklung hat sich die Prognose bewahrheitet, dass die Zahl der Bewerber auf offene Stellen stark abnehmen wird. Um den Arbeitsmarkt zu konsolidieren, gibt es ein Bündel von Maßnahmen. Eine davon ist der Plan die „silver Generation“, sprich rüstige Leute im Rentenalter, länger einzubinden. Auch eine stärkere Förderung von weiblichen Arbeitskräften, insbesondere derjenigen, die traditionellerweise trotz guter Ausbildung und Berufserfahrung nach Heirat und Geburt der Kinder bisher nicht in den normalen Arbeitsmarkt zurückgekehrt waren. Die Gründe hierfür liegen oft in fehlenden Karrierechancen für Frauen und einer schlechten Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf.
Am sichtbarsten ist der Wandel in der Einstellungen der Generationen, die gerade erst in den Arbeitsmarkt eintreten. Wo früher ein knallhartes Aussieben der Kandidaten durch die Firmen vorherrschte, muss inzwischen mit allerlei Imagemaßnahmen nachgewiesen werden, dass man als potentieller Arbeitgeber eine moderne Firma ist, in der man auch unter Woche mit den eigenen Kindern noch Zeit verbringen kann und es u.a. klar definierte Karrierechancen gibt.
Eine Firma, die die eigenen Mitarbeiter nach dem Muster des „typical Japanese Way“ behandelt und z.B. eine absolute Priorisierung der Arbeit vor allen anderen Belangen erwartet, wird schnell merken, dass trotz guter Bezahlung viele junge Mitarbeiter zu anderen „netteren“ Firmen wechseln werden. War früher ein Jobwechsel Tabu, nimmt der Anteil von Japanern, die schon in mehr als einer Firma gearbeitet haben, stetig zu und das quer durch alle Branchen.
In den U-Bahnen sind jetzt häufig Werbungen wie diese zu sehen, in der junge Angestellte offen den Wunsch äußern, dass sie in eine Firma wechseln möchten, die sie besser behandelt als die jetzige und besser zu ihnen passt. Dieser für uns offensichtliche Wunsch wäre in früheren Jahren in Japan noch nicht so offen ausgesprochen worden, um nicht „egoistisch“ zu wirken.
Diese Salarymen and –women der Generation 2.0 erwarten eine flachere Hierarchie, effizientere Abläufe und bessere Work Life Balance und scheuen auch nicht, in Meetings offen dem Chef zu widersprechen. Die bisher als typisch japanische bekannte „Aufopferung“ für die Firma scheinen diese Angestellten nicht mehr leisten zu wollen und nähern sich damit langsam der Einstellung zur Arbeit an, die den Arbeitsmarkt in Europa prägt.
Trotz alledem sollte man nicht erwarten, dass es plötzlich in japanischen und hiesigen Arbeitskulturen keine Unterschiede mehr gibt. Als Beispiel sei eine Inhouse Schulung für japanische Expatriates genannt, in der kürzlich ein recht junger Japaner ganz unverblümt fragte, wo denn jetzt bitte genau die kulturellen Unterschiede lägen, was Diskussionskultur und Entscheidungsfindung angehe. Er sehe keinen Unterschied zwischen seiner eigenen Erwartung an die Firma und dem, was lokale Mitarbeiter in Deutschland wollten. Interessanterweise erläuterte ihm dann ein älterer Japaner, dass er als Neueinsteiger das vielleicht so sähe, dann aber wohl noch einiges über die Abläufe in der eigenen Firma lernen müsse.
Also sind auch in Japan die Wünsche der jungen Generation nicht immer die Richtschnur für den Arbeitsalltag.