Vielen, die seit längerem mit Japanern vor Ort oder in Japan zusammenarbeiten, wird aufgefallen sein, dass manche ältere Manager früher weiblichen Angestellten eine andere Erwartungshaltung entgegengebracht haben.
Dies begann bei Fragen wie „Wo bleibt denn Ihr Chef?“ oder „Ich habe noch eine Frau in Ihrer Position getroffen“, wenn z.B. bei einem ersten Meeting das europäische Gegenüber eine Frau war. Auch wird sich manche europäische Managerin noch erinnern, dass in Teambesprechnungen ausschließlich von weiblichem Mitarbeitern erwartet wurde, „doch mal für Kaffee zu sorgen„.
In Japan waren 2017 nur 44% aller weiblichen Angestellten in Japan regulär angestellt und verdienten ca. 24,5% weniger als männliche Kollegen.
Dazu kommt eine hohe Zahl von Zeitarbeiterinnen und befristeten Vertragsverhältnissen, die dadurch in einem „Double Pay Gap“ hängen und 40% weniger Gehalt bekommen. 73% aller weiblichen Neueinstellungen fallen in diese Gruppe.
Es ist in Japan zudem sehr schwer, nach der Geburt der Kinder schnell wieder in den Beruf einzusteigen, da viel zu wenig Plätze für Kinderbetreuung vorhanden sind.
Babypause für Männer ist gesetzlich vorgesehen, wird aber fast nie wahrgenommen. Und doch machte Anfang 2020 ein Minister Schlagzeilen, da er trotz seines Amtes (vergleichbar Staatssekretär hier) ein paar Wochen in Elternzeit gehen und/oder zumindest manche Aufgaben im Homeoffice abarbeiten wird. Das ist in Japan eine „Breaking News“ Schlagzeile wert!
Der Hintergrund all dessen ist das bis vor 10-20 Jahren noch durchaus gängige Ideal des „ryōsai kenbo“, das die Rolle der Frau als „gute Ehefrau und gütige Mutter“ umschrieb. Diesem zufolge war es erstrebenswert, als Hüterin des Heims und der Kinder seine volle Erfüllung zu finden. Man muss anmerken, dass damit aber oft eine Machtposition verbunden war, da nicht wenige Ehefrauen bis heute als „Finanzministerin der Familie“ gelten und der Ehemann nur ein Taschengeld für Mittagessen und abendliches Ausgehen mit dem Team zugeteilt bekommt. Es gibt noch Fälle, wo an Tagen, an denen die Ehefrau ein O-Bento (japanische Brotzeit) als Mittagessen mitgibt, rückwirkend vom Mann der Betrag für die nicht im Restaurant oder der Kantine eingenommenen Mahlzeiten wieder eingefordert wird.
Die Sphären Familie und Arbeitswelt waren also traditionellerweise streng getrennt, wobei viele junge Frauen vor der Heirat als „Office ladies“ (OL) oder auch als „Mädchen für alles“ angestellt wurden. Die Erwartung, dass diese nicht zu lange in den Firmen verbleiben sollten, war schon in den Arbeitsverträgen angelegt, die ganz klar in unterschiedliche Klassen für Männer und Frauen eingeteilt waren. Erst 1986 wurde Japanerinnen durch ein Gleichstellungsgesetz der Weg für einen echten Karrierepfad geöffnet.
Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Arbeitskräftemangels hatte die japanische Regierung im Rahmen der „Womenomics“ das ambitionierte Ziel von 30% weiblichen Führungskräften bis 2020 ausgegeben und plante mit allerlei Maßnahmen die Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern.
Firmen wie „Nomura Trust & Banking“, die als erste Bank eine Managerin auf die höchste Position hoben, gingen mit gutem Beispiel voran. Und doch wurde schnell klar, dass dieses Ziel bis 2020 nicht zu erreichen war, denn es sind immer noch nur 13,2% Frauen als Managerinnen tätig (Stand 2018) und in 73% aller Firmen in Japan gibt es überhaupt keine weiblichen Manager (Stand 2017). Diese Zahlen ändern sich aber gerade rasant und auch in Japan gibt es jetzt immer mehr Firmen, die sich den Zielen des „30% Club“ verschreiben, sprich mindestens 30% weiblicher Anteil im Middle und Executive Management.
Dass sich allmählich etwas ändert, sieht man aber auch neuerdings in Deutschland an einer gewissen Zahl von weiblichen japanischen Expatriates und Managerinnen, die es früher gar nicht gab.
Die Einstellung der jüngeren Generation hat sich stark gewandelt. Viele Frauen möchten heutzutage genauso selbstverständlich wie die Männer einen attraktiven Beruf mit Aufstiegsmöglichkeiten ausüben. Zudem ist das Einkommen des Ehemanns meist nicht mehr ausreichend, um eine Familie zu ernähren.
Trotz allem gibt es viel mehr Möglichkeiten, als Frau eine Karriere zu haben, doch muss einschränkend bemerkt werden, dass man dann auch doppelt so hart wie die männlichen Angestellten arbeiten muss, um sich abzusetzen und Vorurteile zu kontern. Doch das soll es auch in anderen Industrieländern geben…
Dass Japan auch unter einem sehr starken Bevölkerungsschwund leidet, liegt unter anderem daran, dass es in Japan nach wie vor sehr schwer ist, nach der Geburt der Kinder schnell wieder in den Beruf einzusteigen, da viel zu wenig Plätze für Kinderbetreuung vorhanden sind.
Wie bei jedem gesellschaftlichen Wandel spielt aber auch hier die öffentliche Meinung eine große Rolle. So schaffte es im Juni 2016 ein Vorfall aus der Politik in die internationale Presse. Eine junge Abgeordnete aus dem Tokioter Stadtparlament sah sich bei einer Rede zur Geburtenrate mit beleidigenden Zwischenrufen wie „Can you even have babies? Why don´t you get married?“ ihrer männlichen Kollegen konfrontiert.
Diese Art der Herabsetzung ist an sich nicht ungewöhnlich, neu war aber der öffentliche Zorn darüber. Dieser zog dieses Mal eine offizielle Entschuldigung eines männlichen Abgeordneten inklusive formeller 45 Grad Verbeugung zur besten Sendezeit nach sich. Auch in Japan bewegt sich also in dieser Hinsicht einiges!