In unseren Artikeln geht es oft darum, in welcher Form sich kulturelle Wurzeln wie Geschichte, Philosophie oder auch Religion in der aktuellen Geschäftskultur eines Landes widerspiegeln.
Überall auf der Welt, also auch in Japan, ist seit einigen Jahren die Arbeitswelt einem extremen Wandel unterworfen. Und doch bleiben manche Eigenheiten erhalten, wie sich an folgendem Beispiel sehen lässt.
Die japanische Eisenbahngesellschaft Sotetsu hat einen sehr poetischen Werbefilm kreiert, den man hier ansehen kann.
https://www.youtube.com/watch?v=lseiJCAiF_o
Es geht um einen Vater und seine Tochter, denen man beim älter werden zusehen kann, während sie Zug fahren.
Der Hintergrund des Clips sind Pläne, das Zugnetz noch direkter mit Tokyo zu verbinden, um die Reisen dorthin schneller zu gestalten.
Interessant wird es, wenn man zu analysieren versucht, wie genau der Effekt mit den Dutzenden von Vater/Töchter Paaren erzeugt wurde.
Hier ist ein Ausschnitt aus einer sehr beliebten Youtube Serie aus den USA, in der Computergrafikprofis raten, wie genau ein visueller Effekt geschaffen wurde. (das Thema geht bis 13:13)
https://youtu.be/QiF5oQtHnyA?t=538
Wie man hören kann, kommen die Kommentatoren auf der Couch auf die wildesten Ideen, wie es wohl gemacht wurde.
Das heißt, wäre ein vergleichbarer Film von einer US Produktionsfirma gedreht worden, hätte man es über Computereffekte gelöst. Wahrscheinlich wäre jedes einzelne Paar einzeln gefilmt worden und dann im Schnittprogramm hintereinander gesetzt worden.
Die verwendete Lösung, und hier kommen wir zurück zum Thema dieses Artikels, ist aber vollkommen analog und unglaublich japanisch.
Damit man den ganzen Clip in einem Rutsch (“one take”) filmen konnte, wurden einfach Dutzende von Schauspielern und 100e von Leuten hinter den Kulissen eingesetzt (die letzteren um z.B. die Bewegung der Wagons zu synchronisieren).
Hier der ganze “Behind the scenes” Film:
https://youtu.be/SZQc4P2ATZM
Diese Art von (Wo)manpower zu koordinieren ist in Japan nicht ungewöhnlich, da man dort von frühester Kindheit darauf hin erzogen wird, sich in Gruppen einzuordnen und in diesen perfekt zusammenzuarbeiten.
Dadurch erreichen japanische Teams eine Art von Synchronität und Genauigkeit, die bei dieser Anzahl von Leuten in den meisten anderen Ländern einfach nicht zu erreichen wäre.
Aus diesem Grund wird auch im Geschäftskontext das Argument “das können wir so nicht machen, denn dafür brauchen wir zu viele Leute” normalerweise nicht akzeptiert, wenn ein Plan auf seine Sinnhaftigkeit hin überprüft wird.
Bis heute ist in japanischen Firmen eine Resource fast immer unbegrenzt abrufbar: Mitarbeiter/innen, die man in allen Bereichen einsetzen kann, auch wenn diese keine Spezialisten für die Tätigkeit sind.
“Strength in numbers” ist einer der japanischen Grundsätze, die bislang weiterhin gelten.