Oft äußern in unseren Schulungen Teilnehmer ihre Verwunderung darüber, dass die angeblich so höflichen Japaner mitten im Gespräch mit ihnen plötzlich ans Handy gehen und sie somit „einfach stehen lassen“. Oder auch, dass japanische Kollegen trotz der sprichwörtlichen japanischen Pünktlichkeit zu spät zum internen Meeting eintrudeln.
Aus japanischer Sicht verwirren aber diese Verhaltensweisen keineswegs, da ein wichtiger Aspekt der japanischen Kultur immer mitschwingt: der Stellenwert der Hierarchie!
Natürlich wird auch Japan im 21. Jahrhundert nach und nach egalitärer und so hat die jüngere Generation keine Lust mehr, sich tief verbeugend hinter dem Taxi herzulaufen, in dem der CEO wegfährt. Trotzdem spielt die Hierarchie nach wie vor eine extrem wichtige Rolle. Sie legt klar fest, wie man sich jemandem gegenüber verhalten muss, wie man das Gegenüber anzusprechen hat und welchen Winkel der Verbeugung man benutzen muss, um nur ein paar Regeln zu nennen. So gibt es in der japanischen Sprache drei ganz klar getrennte Sprachstile mit jeweils anderen Verben und Nomen, die man einhalten muss.
Diese 3 Ebenen basieren darauf, ob jemand über einem (z.B. Kunde), unter einem (ein Lieferant oder auch Mitarbeiter) oder auf gleicher Ebene steht (z.B. am gleichen Tag in die Firma eingetretene/r Kolleg/in).
(Bild: in Japan sind sogar die Schaufensterpuppen überhöflich)
Da in Japan, wie oft zitiert, der Kunde nicht nur „König, sondern Gott“ ist, liegt es auf der Hand, dass trotz eines mündlichen Gesprächs mit einem Kollegen das Handy unbedingt beantwortet werden muss, sobald der Kunde oder Chef anruft.
Auch wenn man als Japaner noch im Telefongespräch mit dem Kunden oder Chef ist, obwohl in Kürze das interne Meeting beginnt, schlägt immer „der Ober den Unter“. Das heißt, man kommt lieber zu spät zum Meeting als den hierarchisch Höherstehenden aus der Leitung zu werfen. Also können es sich die Japaner normalerweise nicht einmal aussuchen, wen sie lieber verärgern möchten, den Kollegen oder den Chef/Kunden.
Also raten wir es, solche Vorfälle nicht persönlich zu nehmen, sondern eher mit den Kollegen mitzufühlen, wenn diese sich zwischen den Hierarchieebenen aufreiben müssen…
(Hier ein weiterer Artikel zum Thema „Hierarchie“ von unserem Blog)